Donnerstag, 2. August 2005


Der Tag beginnt mit eiskaltem Wind, der aber von hinten schiebt. Zum ersten Mal mit ausgesprochener Gehlaune auf die Piste. Fühle mich regelrecht energiegeladen. Vorbei am Löšmundarvatn. Danach auf den Reitweg, der den weiten Bogen der Piste etwas abkürzt und sich näher an der Flanke des Berges hält. Vier oder mehr parallele schwarze Linien, wie mit den Zinken einer Riesengabel in das Grasland gekratzt; das ist der Reitweg. Schafe, meist in den üblichen Dreiergruppen, beäugen mich, lässig kauend, um dann, wenn die Fluchtdistanz unterschritten ist, plötzlich kehrt zu machen und davonzuhoppeln.

Nach dem Paß tolle Aussicht über das ganze Dómadalur und den Dómadalsvatn. Im Tal kommt mir ein Radler mit Sonnenbrille entgegen, und das bei vier-Uhr-nachmittgs-Wetter. Kurz bevor er mich erreicht, wechselt er auf die andere Pistenseite und heyt vorbei. Naja, hat wohl noch einen Termin.

Ich schiebe mich den nächsten Paß hinauf. Durch Löcher in der Wolkendecke bestrahlt die Sonne mal hier, mal dort eine Bergkette. Wie ein solarer Suchscheinwerfer. Dramatische Effekte. Ich schwöre mir, sobald ich einen Blick auf den Frostastašavatn habe, zu rasten.

Bin bisher ohne Unterbrechung gegangen. Aber erstmal windet sich die Piste immer weiter hinauf. Endlich oben, bleibt sie in der Dómadalshraun auch auf diesem Niveau. Ich hätte einen Blick auf die Karte werfen sollen, bevor ich mir eine Pause verspreche. Eine faszinierende Landschaft. Überall ragen bizarre Lavaskulpturen aus dem dunkelgrauen Sand. Die durchbrechende Sonne fügt schwarze Schatten hinzu. Vereinzelte Strandhaferbüschel sind mit ihren grün-grauen Halmen das einzige Farbige. Hier hindurch taumelt die Piste.

Nach etwa 10 km glänzt rechter Hand der Frostastašavatn auf. Ein mit Graumoos überwucherter Lavastrom schiebt sich von den Bergen herab bis in den See. Die Piste führt schnurgerade den Hang hinab, umrundet den Frostastašavatn in großzügigem Bogen und trifft hinter einem grünen Hügel auf die von Norden kommende Piste nach Landmannalaugar.

Ich stelle den Rucksack in den Sand des Hanges und lege mich dazu. Die Stelle ist windgeschützt und sonnig. Müsliriegelkauend versuche ich zu erkennen, wo der Weg an der Lavazunge hinauf und hinüber nach Landmannalaugar führt. Ein Bus rollt, aus meiner Richtung kommend, die Piste hinab und treibt eine Herde lediger Pferde vor sich her. Zwei weitere Pferde folgen, überholen ihn im Galopp neben der Piste und schließen zu der Herde auf. Reiter sind nicht zu sehen. Jetzt kommen schon die Pferde mit dem Bus.

Ich schwanke, ob ich den längeren, aber sicheren Weg um den See herum wählen soll, oder die Abkürzung über den Berg. Schließlich fällt die Entscheidung für die Klettertour (aber nur ganz knapp). Zuerst den spärlich strandbehaferten Hang hinab durch relativ festen Sand. Dann weiter, zwischen Lavabrocken hindurch, immer noch auf Sand, bis dieser, auf Seeniveau angelangt, durch Kies ersetzt wird. Kleine Wellen rollen ans Ufer, auf dem weiße Federn verstreut sind. Wo der Lavastrom in den See hineinragt, schwimmen Schwäne.

Am Rand der Lava zieht sich das erste Stück ein grüner Hang hinauf, der mir für den Aufstieg geeignet erscheint. Ich steige hinauf und lege dann zwischen Gras und Blaubeeren eine Rast ein, bevor der anstrengende Teil beginnt.

Meine Einschätzung kann nicht ganz falsch gewesen sein. Weiter oben gelange ich auf einen Trampelpfad - mit Abdrücken von Wanderschuhen und von Schafhufen. Als der Hang an dick mit Moos überzogener Lava endet, bin ich wieder auf mich allein gestellt. Schwitzend und schnaufend klettere ich höher. Immer wenn ich denke, oben angelangt zu sein und, Dieters Beschreibung zufolge, das Lavafeld nach Osten überqueren zu müssen, geht es noch ein Stück hinauf. Bis ich plötzlich doch oben bin, drüben lockt ein deutlich ausgetretener Trampelpfad, sogar mit einem Markierungsstick und - dazwischen gähnt der Krater. Die Wände sehen recht steil aus. Doch bevor ich mich zur Durchquerung entschließe, will ich mich vergewissern, ob auf meiner Seite keine Umrundung auf dem Kraterrand möglich ist. Bald stoße ich wieder auf zertretene Vegetation und verdichteten Untergrund. Ein ganzes Geflecht dezenter Trampelpfade. Sie führen um den Rand herum und bringen mich sogar ein gutes Stück weiter unten auf den Trampelpfad nach Landmannalaugar, das ich jetzt, auf der anderen Bergseite, unter mir schon sehen kann. Mit spürbar glühenden Wangen geht es den Berg hinab. Ich biege auf die Piste ein und stürme vorwärts, plötzlich wieder voll Energie. Eine Gruppe Reiter überholt mich, auf der engen Piste einige Autos im Schlepp. Die Isländerin an der Spitze grüßt mich. Gošan Dagin! Bin heute von 8:30 - 15:00 Uhr unterwegs gewesen. 14,2 km laut GPS.

Mein Päckchen wartet in der Hütte schon auf mich. Ich werde hier einen Tag bleiben und dann über den Laugavegur nach Skógar an der Südküste weiterziehen. Am Abend lassen zwei Geländewagenfahrer am Rand des Platzes stundenlang (wörtlich) ihre Motoren laufen. Bis Mitternacht höre ich noch das Tuckern. Falls sie Strom produzieren, um irgendetwas in ihren Hauszelten zu betreiben (Handy aufzuladen)... haben sie keine Batterie? Und vor allem: haben sie kein Empfinden für Rücksicht?

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