Samtag, 28. Juli 2005


Habe lange geschlafen, mir Zeit gelassen, das Regenende abgewartet und bin dann est gegen 12 Uhr losgekommen. Nach einem kleinen Paß wird die Landschaft karger. Ich stecke den in Reykjavík gekauften Trockenfisch (Hardfiskur) in die Schenkeltasche und knabbere über den Tag verteilt immer wieder etwas von diesem Taschenfisch. Man kann sich daran gewöhnen. Kurz hinter dem Schild "Wanderweg Gullfoss" stelle ich meinen Rucksack auf einem Felsbrocken ab, der eine Hügelkuppe krönt. Genieße den Blick auf den Langjökull unter tiefhängenden Wolken. Davor die Felszinnen der Jarlhettur und aufsteigende Gischt vom Gullfoss. Etwas voraus sind auf der anderen Flußseite die Masten des Línuvegur erkennbar.

Die Gischtwolken sehen so nah aus, daß ich mich zu einem Spaziergang ohne Rucksack entschließe, nicht über die Zufahrt zum Wanderweg, sondern auf gerader Linie querfeldein. Es wird heftig: Überwucherte Bodenunebenheiten, sumpfige Wiesen und ein Zaun, der die Schafe abhalten soll. Was wohl auch gelingt, denn dahinter ist höhere Vegetation, vor allem Lupinen. Ich erreiche ziemlich abgekämpft die Schlucht.

Muß die Regenjacke fest schließen, um von den Wolken des über die Kante emporwirbelnden Wasserdampfes nicht völlig durchnäßt zu werden. Ich teile nicht unbedingt Dieters Ansicht, daß die andere Seite die Schokoladenseite ist. Oder bezog er das auf die Schokotorte im Café? Der Zustand der Landschaft erinnert mich an meinen ersten Gullfoss-Besuch, als es dort nur die Toilettenhäuschen als einziges Entgegenkommen für den Tourismus gab. Auf der Ostseite gibt es nicht mal die. Keine Piste, kein Parkplatz am Rand. Damals habe ich auf dem grasbewachsenen Plateau direkt an der Kante noch gezeltet (und beinahe mein Zelt eingebüßt). Hier ginge das heute noch. Ich hatte den Wasserfall am Morgen für mich allein.

Gehe am Cańon entlang und schlage einen ziemlichen Bogen, bis ich auf den Wanderweg treffe. Folge ihm bis zum Parkplatz. Daß das letzte Stück nur zu Fuß zu bewältigen ist, scheint zu wirken. Konnte vorhin beobachten, wie Motorradfahrer gleich wieder umkehrten. Zurück zum Rucksack und weiter. Vertreibe mir die Zeit mit Verseschmieden:
Ich kau' 'nen KEX (isl. Kekssorte)
und bin perplex:
auch ohne Reimlex-
ikon schmex.

Unmittelbar hinter einem Schafrost und dem Schild, auf dem mitgeteilt wird, daß ab hier sofort die "Wilderness" beginnt, lege ich mich auf eine Wiese, ruhe etwas aus und koche Tee. Esse dazu zwei Riegel Schokolade und fühle mich danach wieder gestärkt für den Weiterweg. Kurz vor dem Abzweig auf den Línuvegur begegnen mir drei Reiter mit etlichen Pferden. Der erste Reiter kann sein Reittier und das am Zaum geführte nur mühsam auf der Piste halten. Die fünf folgenden ledigen Pferde kommen mir erst auf der Piste entgegen - ich bleibe stehen, um sie nicht zu beunruhigen - halten es dann aber doch für besser, in einen kleinen Bogen neben der Piste um mich herumzugaloppieren - über das Geröll - beeindruckend! Bei den letzten beiden Reitern angekommen, stelle ich mich neben die Piste, um sie vorbei zu lassen und frage, ob die Pferde Angst vor mir hätten. Ein wenig, meint der jüngere lachend. Er fragt, ob ich zu den Kerlingafjöll will. Nein, nach Landmannalaugar. Over the mountains? All the rivers!

Hinter dem nächsten Hügel erstrecken sich die Strommasten in schnurgerader Linie bis zum Horizont. Eine unendliche Reihe Dürer-As, die genau dort hinführen, wo sich eine blaue Lücke im sonst wolkenverhangenen Himmel öffnet.

Anfänglich geht es noch durch grasbewachsenes Land, etwas abseits, rechts der Piste, blinkt ein Bach. Ich fühle mich aber fit genug, um noch bis zu der Stelle zu gehen, wo die Heišará die Piste quert. Doch als ich über den Hügel komme, hinter dem ich sie zu sehen erwarte, liegt dort ein See mit einem Wochenendhaus. Die Wanderkarte schweigt dazu. Am Horizont erhebt sich die schneebedeckte Hekla.

Die Heišará führt kaum Wasser, wird durch ein Rohr unter der Piste hindurchgeleitet. Suche mir einen Platz am See, der sehr flache Ufer hat, was sich beim Wasserholen als mißlich herausstellt. Ich muß erst ein Loch in den Seegrund graben, um den Becher tief genug eintauchen zu können, und abwarten, daß sich die Schlammwolke gesetzt hat. Abends kommt leider Wind auf.

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