Aufbruch ca. 10:30 Uhr in einer Regenpause. Vorher habe ich aus Felsmulden noch einen Liter Wasser gelöffelt. Wasserprobleme gab's trotzdem - aber wegen eigener Dummheit. Gegen Mittag koche ich mir unter einem überhängenden Basaltfelsen Haferflocken.
Danach kommt die erste Furt über die Lindaá - deutlich tiefer als die drei Furten des Busses gestern. Kalt, aber nicht eiskalt. Vielleicht, weils ein Quellfluß und kein Gletscherfluß ist. Meine Hochlandtaufe habe ich also hinter mir. Ein Problem ist nur, daß die Turnschuhe, die ich zum Waten benutze, nicht trocken werden. Die Lindaá fließt an einem Lavafeld entlang, dessen Hügelketten man mit den beiden Furten umgeht. Nachdem ich mir das Gelände auf dem Weg zur zweiten Furt angesehen habe, frage ich mich jedoch, ob man sich als Wanderer die Flußdurchquerungen nicht lieber schenkt. Bei der zweiten Furt habe ich Glück: Eine isländische Familie, die gerade von der anderen Seite herübergekommt, bietet mir an, mich rüberzubringen. Es gestaltet sich zwar etwas schwierig, mir mit dem Rucksack den Vordersitz zu teilen, geht aber irgendwie doch. Neben der Furt liegt die Hütte Lindsel, wahrscheinlich zum Teekochen für den "Landwärter". Tisch und zweiflammiger Gasherd sind durchs Fenster zu sehen. Das Ganze macht einen gemütlichen Eindruck; aber vielleicht auch nur, weil's gerade wieder regnet. Die Hütte ist eher eine Kiste, mit Tür und Fenster zum Fluß, kunstgerecht zwischen den Lavafelsen verankert.
Jetzt kommt die Sache mit der eigenen Dummheit: Da ich zu faul war, das Wasser die ganze Zeit mitzuschleppen, beschloß ich, an der letzten möglichen Stelle aufzutanken, laut Karte des Náttúruvernd ríkisins also dort, wo die Piste ein letztes Mal die Lindaá (d.h. ihren Nebenarm Lindakvísl) berührt, bevor sie nach Westen zu den Bergen hin abbiegt. Dort sollte auch der Abzweig nach Osten zu einer Ruine sein. Von Fjalla-Eyvindur natürlich. Der Mann ist rumgekommen!
Aber von beidem keine Spur: Kein Schild für den Abzweig, keine Lindaá in der Nähe. Letzte Hoffnung ist ein Fluß, an dem ich auf dem Weg zum Paß vorbeikommen muß (im Hraundalur). Dort hatte ich auch überlegt zu zelten. Aber Pustekuchen! Der Fluß ist wohl da, führte aber kein Wasser. Also weiter. Mit 600 ml im Tank und der Hoffnung auf Felsmulden im Hinterkopf. Als ich schon auf dem Paß bin, kommt mir ein Wagen mit Hamburger Kennzeichen entgegen. Ich gehe langsamer und nehme Blickkontakt mit den Insassen auf. Der Wagen wird auch langsamer, hält, ich gehe näher heran und da wird auch das Fenster heruntergelassen. Ob ich Hilfe bräuchte. Ich frage, ob es vor den Kverkfjöll noch Wasser gibt. Man verneint, bietet mir dann aber, als ich schon resigniert die Schultern zucke, von den eigenen Reserven an (die üppig sind). Bei einem kleinen Plausch erfahre ich noch, daß sich inzwischen auch Radfahrer auf die Gæsavötnaleiğ sığry gewagt haben. In diesem Jahr.
Es geht weiter auf dem Paß, durch stellenweise wildzerklüftete Gegend. Ich halte Ausschau nach einem Felsen, der mich vor dem Nordwind und gleichzeitig vor den Blicken von der Straße schützen würde. Als die Straße mal wieder einen deutlichen Schlenker nach Norden macht, gehe ich querfeldein in die entgegengesetzte Richtung, die sehr vielversprechend aussieht: Klippen mit schwarzem Sand dazwischen. Nach einigem Suchen finde ich dann die ideale Stelle: Ein überhängender Felsen genau in Querrichtung zum Wind und darunter ein fast ebener Sandboden. Auf dem schwarzen Untergrund liegen die rosablühenden Polster des stengellosen Leimkrauts. Wenn's nicht weht, ist es fast lautlos hier. Nur das Zelt knackt, das Rauschen, das vom Gehör selber kommt, ist zu hören - sonst nichts. Schafe hat es übrigens in dieser Gegend nie gegeben, das heißt unter anderem, alle Höhlen, Nischen, Überhänge sind frei von ihrem Gestank.
Nur wenige Meter neben meinem Zelt finde ich noch einen Felsen in dem sich an mehreren Stellen klares Wasser gesammelt hat. Das größte Becken enthält sicher 20 Liter. Der Abend wartet dann noch mit leuchtend roten Wolken und vom Abendlicht glühenden Bergen auf.