Sonntag, 27. Juli 2003


Morgens um sechs: Sonnenlicht erhellt das Zeltinnere und bricht sich in den Tautropfen auf der Zeltwand. Jeder Tropfen ein gleißender Punkt. Als ich von Innen gegen das straffe Gewebe schlage, um die Tropfen abzuklopfen, damit das Außenzelt schneller trocknet, prasseln innen Eisstückchen herab. Upps! Was ich für Tau gehalten habe, war gefrorenes Kondenswasser.

Ich gehe zum nächsten Schneefeld und hole Wasser. Meine Füße beginnen zu jucken. Das ist kein gutes Zeichen. Sollte etwa auch Leukoplast diesen fatalen Kleber verwenden? Dann habe ich für den Rest der Strecke die Wahl zwischen Blasen und Allergie. Tolle Aussichten! Naja, erstmal frühstücken und noch ein wenig im Tagebuch schreiben. Gestern war es schon zu dunkel dazu.

Als ich später einen weiteren Eintrag machen will, blättere ich zurück, sehe, daß der letzte unter Sonnatg dem 27. steht und schreibe, ohne lange nachzudenken, "28.7. - Montag". So kann's passieren. Fast hätte ich, wie schon im vergangenen Jahr, einen Tag verloren... oder einen zuviel im Tagebuch. Also, es ist noch immer Sonntag, 27.7.2003: Der Abstieg vom Paß ist nicht so gleichmäßig, wie das Kartenbild vermuten läßt, sondern besteht aus drei bis vier größeren Stufen, die aber problemlos zu überwinden sind. Die Sicht ist gute und der Untergrund bereitet keine größere Probleme. Unten in der Wüste, etwas östlich von mir, führen schon die Dust-Devils ihre Tänze auf, drehen ihre Pirouetten. Wie gut, daß ich hier bin... und nicht dort. Da unter verläuft der gebräuchliche Weg nach Nýidalur, den die Geländewagen, die Radfahrer und auch die meisten Fußgänger nehmen. Entweder muß man sich vor dem Schwemmland in Acht nehmen oder der Boden ist so trocken, daß schon ein leichter Wind Staubfahnen aufwirbelt. Und wenn Sonnenschein die Luft erwärmt, so wie heute, geraten die Luftschichten in Bewegung und der Wind läßt nicht lange auf sich warten. Was für ein Weg, auf dem Regen die angenehmste Alternative ist!

Genau dort, wo sie laut Karte und GPS sein sollte, sehe ich auch irgendwann von oben ein Stück Piste, dann zwei Wagen. Der größere, in Citronengelb, hält eine Weile an dem Wegweiser: Gæsavötn 48 km, Nýidalur 95 km. Als ich dort ankomme, koche ich etstmal einen Tee und mache mich dann wieder auf. Wie gehabt ist das Gehen auf der Piste deutlich leichter.

Der Wind vom Morgen hält an und wird gegen Abend spürbar kälter. Die Piste hält immer auf den Kistufell zu, dabei müßte doch links, also östlich davon, der Úrðarháls liegen, den ich aber nicht sehe. Erst als ich schon ziemlich nah bin, wird mir klar, daß es die flache, unspektakuläre Erhebung davor sein muß. Und endlich macht die Piste doch noch einen Bogen nach links. Ich baue meine Zelt in einem Lavafeld mit viel Sand dazwischen auf, das etwas Schutz vor dem Wind bieten sollte. Es ist etwa 18 Uhr. Gerade rechtzeitig. Ich habe den Kocher noch nicht angeworfen, da beginnt es zu regnen. Genau das richtige Wetter, um im Zelt zu liegen und nochmal Dieter Grasers Bericht aus dem Internet über seine Tour von der Askja nach Nýidalur zu lesen. Wenn die Höhenangabe des GPS stimmt, bin ich jetzt etwa 320 m tiefer als am Morgen.

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