Montag, 21. Juli 2003


Als um sechs der Wecker zirpte, hat es noch geregnet. Um sieben mache ich Frühstück und lese. Danach hört der Regen auf und ich kann das Zelt fast trocken abbauen.

Zuerst laufe ich grob südlich, immer am Hang entlang. Vorbei an blumenbestandenen Wiesen und grasbewachsenen Hängen vor der Kulisse des Bláfjall. Sogar noch ein richtiger Bach mit Zeltmöglichkeit, diesmal mehr als vier Quadratmeter, kreuzt den Weg. Später höre ich weit oben in der Wand Wasser rauschen. Als ich ein dazugehöriges trockenes Rinnsal überquere, sehe ich in einiger Entfernung etwas glitzern; fließendes Wasser. Ich gehe näher, um zu beobachten, wie es versickert. Aber nichts da. Das Wasser füllt langsam seinen Kanal, kommt auf mich zu. Da muß wohl erst vor Kurzem auf dem Berg der Hahn aufgedreht worden sein.

Die Überquerung eines Höhenrückens, des letzten, südlichen Ausläufer des Bláfjall, ist recht mühsam: weicher Sand, Strandhafer und Stricklavaplatten. Am Ende des Rückens nehme ich die erste Peilung auf den Hagavatn vor. Erst nach gut der Hälfte des Weges geht das Lavaplatten-Sand-Gemisch in Kieshügel über. Häufig allerdings sind auch diese weich und geben bei jedem Schritt nach. Dafür fühle ich mich aber durch einen tollen Blick auf die sonnenbeschienene Herðubreið und das Dyngjufjöll entschädigt. Aus einigen Wolken hängen, räumlich sehr eng begrenzt, Regenvorhänge herab, die schließlich auch mich erwischen. Dabei stellt sich heraus, daß die Fototasche, obwohl aus Plastik, nicht wasserdicht ist. Wieso stellt man die Spezialverpackung für empfindliche technische Geräte aus Kunststoff her, macht sie aber nicht wasserdicht? Was habe ich davon, wenn die Tasche nicht verrottet, ihr Inhalt aber sehr wohl?

Der Hagavatn erweist sich als eine genauso braun-rote Mulde wie der Haugsvatn - nur viel kleiner. Ein trostloser Anblick! Aber zum Glück bin ich ja nicht auf Wasser aus. Nach wenigen Schritten stehe ich am entgegengesetzten Ufer der Mulde. Der GPS-Wegpunkt stimmt! Aber außer vielleicht als Beleg für die Qualität dieses Stücks Technologie in meiner Hand und das Können der Kartographen gibt so ein leerer See, eigentlich sogar eher nur ein Teich, ein Tümpel, nicht viel her. Man kann nicht an seinem Ufer sitzend sinieren. Niemand sinniert am Rand einer Mulde. Man kann keine flachen Steine über seinen Spiegel zwitschen lassen, man kann nichtmal einen Stein hineinwerfen, damit er mit leisem Glucksen eintaucht und hinabsinkt in geheimnisvolle Tiefen. Der Stein fällt bloß mit einem dumpfen "Plock" auf den trockenen Lehmboden und liegt etwa einen Meter unter dem Niveau des Ufers. Von geheimnisvoller Tiefe keine Spur.

Ich steuere den Hagalækur an, noch anderthalb Kilometer. Aber wo der Fluß sein sollte, ist es nur etwas grüner, kein Wasser. Ich schleppe mich weiter Richtung Südwesten. Irgenwo muß ich doch auf die Kráká stoßen? Endlich sehe ich ein paar Schafe, und in ihrer Nähe glitzert etwas. Vielleicht nur eine Pfütze? Nein, etwas rechts davon erhebt sich ein schwarzsandiger Steilhang mit einer Flußbiegung an seinem Fuß. Geschafft! Ich winde mich aus den Gurten des Rucksacks und baue das Zelt auf.

Nach dem Essen ist plötzlich lautes Geplätscher vom Wasser her zu hören. Ich beobachtete ein Schaf, das seinen drei(!) Jungen offensichtlich beibringt, Wasser zu durchqueren. Erst geht es nach drüben - das Geplätscher, das mich aus dem Zelt sehen ließ - und dann gleich wieder zurück. Zwei der Lämmer bleiben am gegenüberliegenden Ufer. Sie laufen ein Stück weit daran entlang, vielleicht auf der Suche nach einem besseren Übergang, geraten aber offenbar in Panik, als sie ihre Mutter davontrotten sehen, stürzen sich mit beherzten Sprüngen mitten ins Wasser, ausgerechnet an der tiefsten Stelle, strampeln wie wild und gelangen wohlbehalten hinüber. Hier wird einem etwas geboten.

Am Abend legen sich große, sonnenbeschienene Wolkenmassen in die Landschaft zum Schlafen; erst zwischen Sellanda- und Bláfjall, dann vor dem Dingjúfjöll und schließlich steck ich selbst mitten im Nebel. Da hatte sich wohl so ein Wolkenberg auf mich draufgesetzt. Nein, ich möchte das Bild nicht weiter ausmalen und ziehe mich ebenfalls zum Schlafen zurück.

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