Montag, 4. August 2003


Um kurz nach halb Drei ist der Bus am Nationalpark Skaftafell losgefahren. Offensichtlich hat der Busfahrer den isländischen Namen sogar in meiner Aussprache verstanden, denn er läßt mich direkt neben dem Schild aussteigen, das auf mein Ziel verweist. "Fjallsárlón" steht darauf, und natürlich ist es wieder mit dem Sehenswürdigkeitssymbol (z) geschmückt. Aber der Weg zum See kommt mir viel länger vor, auf der Piste fahren Geländewagen an mir vorbei und der See selbst sieht auch ganz anders aus: mehr Eis, weniger Wasser. Ein plötzliches Rauschen und ein schneller Schatten über mir lassen mich instinktiv den Kopf einziehen. Aha! Nur die Skuas zeigen sich traditionsbewußt und begrüßen mich mit denselben fröhlichen Sturzflügen wie im vergangenen Jahr. Erst als ich im Fluß die Brückenpfeiler stehen sehe, über die früher die Ringstraße führte, vor ihrer Verlegung, wird mir klar, daß ich einen Fluß zu früh rausgelassen worden bin. Also wieder zurück, über die Brücke, und die nächste Piste entlang. Aber auch diese Piste bin ich im letzten Jahr nicht gegangen. Sie entfernt sich immer weiter vom Fluss, bis sie mit einer neuen Piste aus der Gegenrichtung zusammentrifft, die tatsächlich an die Stelle führt, wo der See sein Wasser in den Fluß ergießt, und auf der mir... ein Ausflugsbus entgegenkommt. Schluß mit Geheimtip! Hier sind inzwischen einige neue Zufahrten planiert und Fahrdämme aufgeschüttet worden.

Bei jedem Schritt schwirren Unmengen von Schnaken auf und tölpeln mir im Gesicht herum. Ich bin genervt. Nachdem ich die offenbar einzige ebene Stelle mit Seeblick gefunden und mein Zelt auf ihr errichtet habe, fische ich einen Eisbrocken aus dem See. Zeit für's Abendessen.

Nachdem die letzten Wagen vom Aussichtsplatz hinter der nächsten Landzunge verschwunden sind, wird es noch stiller. An der Gletscherfront lösen sich Eismassen über eine Breite von mehreren Metern. Ein gewaltiger Brocken rauscht ins Wasser. Aber die Flutwelle, die sich über den ganzen See ausbreitet, bleibt aus. Stattdessen wirkt sich das Ereignis erst nach langer Zeit, wie mir scheint, auch auf meiner Seite des Sees aus. Aber nicht als Welle, sondern der Wasserspiegel hebt sich am Ufer, steigt den Kiessaum empor, gleitet zurück, steigt, fällt wieder. Nochmal - dann ist es wieder Still.

In der Nacht macht sich hinter der Landzunge im Osten eine Kolonie von Schreienten bemerkbar. Tatsächlich habe ich keine Ahnung, um was für Vögel es sich handelt, aber den Namen haben sie verdient. Als später einige von ihnen in raschem Flug über das Zelt hinwegziehen, kann ich kaum glauben, daß Geflügel dieser Größe das Klangvolumen einer stattlichen Kuh entfalten und dabei auch noch fliegen kann. Aber es ist glaubhafter als die Vorstellung, dort oben flöge eine Herde Kühe. Nicht in diesem Tempo.

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