Im Südosten Islands, dort, wo der Breiğamerkurjökull, ein Ausläufer des Vatnajökull, fast bis ans Meer reicht, liegen nah beieinander drei Gletscherseen, der Fjallsárlón, der Breiğárlón und der Jökulsárlón. Der mittlere besitzt keinen direkten Abfluß ins Meer, sondern ist über einen kurzen, reißenden Fluß - die Breiğá - mit dem Fjallsárlón verbunden. Auf dem Jökulsárlón schwimmen die mit Abstand meisten Eisberge. Zusätzliche Bekanntheit erlangte er dadurch, daß einige Szenen eines James-Bond-Films auf ihm gedreht wurden.
Kurz hinter der Brücke über die Fjallsá führt der Weg flußaufwärts zum ersten Gletschersee, dem Fjallsárlón. Die zerklüftete Gletscherzunge des Fjallsjökull reicht bis an den See, auf dessen Wasser Eisberge treiben. Als ich 2002 dort eintraf, war es sehr warm. Ich lief im T-shirt weiter zum zweiten Gletschersee, dem Breiğárlón. Wegen des Gerölls ist der Weg an den beiden Seen schwer zu gehen. Am Breiğárlón fischte ich mir ein klares Stück Eis aus dem See, ganz ohne Luftblasen, hackte mit dem Messer etwas davon ab und kochte mir erstmal einen Tee. Das Gas ging zur Neige, was ich mit Erschrecken feststelle. Doch der Tee war köstlich. Beim Kochen und beim Zusehen, wie das Eis schmolz, kam mir die Vorstellung, daß es schon Hunderte von Jahren alt sein konnte. Was war in Island zu der Zeit geschehen, als dieses Eis entstand (mal abgesehen davon, daß Fjalla-Eyvindur sich gerade irgendwo im Hochland eine Unterkunft baute)? Und jetzt schmolz es in relativ kurzer Zeit - in meinem Kessel.
Der Weg querfeldein zum Jökulsárlón war einfacher zu gehen, aber etwas eintönig. Von rechts drang immer wieder der Autolärm auf der Ringstraße herüber. Die Skuas waren verhältnismäßig friedlich. Sie beobachteten mich meist nur von einer Warte aus oder kreisten über mir und bedachten mich mit einsilbigen Kommentaren. Die Angriff waren vorhersehbar: Auf niedriger Höhe kam der Vogel auf mich zu, schien zu beschleunigen und zog dann etwa zwei Meter entfernt nach oben, wobei er die Füße mit den Schwimmhäuten als Bremsklappen nutzte, was dem Ganzen etwas an Bedrohlichkeit nahm. Im letzten Moment war deutlich das Rauschen der Schwingen zu hören.
Der Jökulsárlón ist erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden, als sich der Gletscher so weit zurückzog, daß eine fast 150m tiefe, wassergefüllte Senke entstand. Auf dem Wasser schwimmen zahlreiche Eisberge, die, wenn sie weit genug abgetaut sind, um nicht mehr auf Grund zu laufen, durch den Abfluß des Sees ins nahegelegene Meer treiben. Dort angekommen werden sie häufig von der Brandung auf den Strand geworfen. Diese Verbindung zwischen See und Meer ist der kürzeste Fluß Islands. Bei Flut dringt Salzwasser in die Lagune ein, und manchmal auch Seehunde, die unter der Brücke hindurchschwimmen und sich dann neugierig zwischen den Eisbergen umsehen. Jenseits des Flusses steht ein Café. Hier können auch die Fahrten mit den Amphibienfahrzeugen auf dem See gebucht werden.